Vielen Dank fürs erneute öffnen meines Threads! Es ist jetzt ein wenig Zeit vergangen und ich dachte, ich erzähle euch, was seitdem passiert ist.
Ich hatte direkt nach euren Antworten einen Termin bei der kostenlosen Schuldnerberatung ausgemacht, wir mussten 1,5 Monate auf den frühest möglichen Termin warten. Dort wurde erstmal der Ist-Stand besprochen, wir haben Formulare erhalten und machten direkt den nächsten Termin aus - in weiteren 2 Monaten. Ich musste bei jedem Termin dabei sein, um zwischen dem Berater und meiner Mutter zu vermitteln bzw. ihr die Möglichkeiten in einfacherem deutsch zu erklären. Warum sie das selber nicht konnte? Weil sie vor 40 Jahren ihren Deutschkurs abgebrochen hat, da es ihr zu doof war, Worte wie “Eins, Zwei, Drei” zu lernen, die sie schon konnte… dass so ein Kurs später komplexer wird, war ihr scheinbar egal oder nicht klar…
Sie kann zwar deutsch sprechen, aber es erinnert eher an simples Schulenglisch, das man so kennt. Man kann sich zwar fließend verständigen, der Wortschatz ist aber trotzdem begrenzt und der Satzbau simpel. Schreiben kann sie kaum, lesen aber schon.
Somit verbrachte ich Stunden damit, Formulare auszufüllen und ihr alles zu erklären. Laut Beratung im November 2019 gab es 3 Möglichkeiten:
- Sofort in Rente gehen und die Privatinsolvenz in die Wege leiten (“Nein!!! Ich kann erst im Juni 20 in Rente gehen, dann bekomme ich eine etwas höhere Abfertigung!!!”)
- Im Mai in Rente gehen und 5 Jahre lang einen Betrag X bezahlen, allerdings würden mögliche Erbschaften und Lottogewinne an die Bank gehen (“Waaas? Auch mein Lottogewinn???”)
- Im Mai in Rente gehen und 7 Jahre lang einen Betrag X bezahlen, wodurch die Bank keine Lottogewinne und Erbschaften erhält (“So lange!???”).
Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, also musste ich erstmal heimfahren und ihr lang und breit erklären, warum sie die 3. Möglichkeit wählen sollte. Wie erwähnt, das Haus gehört meinem Vater und ich möchte es im Fall der Fälle nur ungerne von der Bank zurückkaufen müssen. Ich glaube die Aussicht darauf, dass sie auch einen möglichen Lottogewinn behalten darf, hat sie eher überzeugt 
Es sollten noch einige Termine folgen und meine Geduld nahm ein Ende, besonders weil ich alle ihre Briefe öffnen und lesen musste. Warum? Weil sie nach eigenen Angaben nicht versteht, was dort steht. Das normal, wenn man die Briefe nichtmal öffnet... ich hatte ihr einen der Briefe geöffnet, hingelegt und ihr gesagt, sie solle ihn sich durchlesen und mir sagen, was sie nicht versteht. Sie hat den Brief vielleicht 10 Sekunden angesehen und dann gemeint "Ich verstehe es nicht, mein Kopf ist so voll". Das war nur eine leere Seite mit ihrer Adresse und der Aktennummer
Es war einfach 0 Kooperation und kein Bemühen da, wirkte auf mich wie ein "meine Tochter macht das schon"
Letztendlich beauftragte ich einen Anwalt mit dieser Sache und siehe da - Termin war bereits 1 Woche nach dem Telefonat möglich. Das war mir jeden Cent wert und die Beratung war zwar nicht einfühlsam-freundlich, sondern sachlich-professionell, aber so mochte ich es sogar lieber. Der Anwalt hat auch einen Fehler von der Schuldnerberatung gesehen und korrigiert. Auch hat er uns informiert, dass meine Mutter schon vor 10 (!) Jahren eine Privatinsolvenz starten hätte sollen, als sie die Möglichkeit hatte, in Invaliditätsrente zu gehen. Diese hat sie aber nie wahrgenommen. Damals begründete sie das gegenüber mir und meinem Vater damit, dass sie ja so gerne arbeitet und es ihr Spaß macht. Der wahre Grund war aber, dass sie arbeiten musste, um ihre Kreditrate von 700+ Euro im Monat zu zahlen. Da sie ihre Geldprobleme nie kommuniziert hat, konnte ihr auch nie jemand von der Privatinsolvenz erzählen und sie ist immer tiefer in ihrem Schuldensumpf gesunken. Naja, selbst Schuld 
Der Anwalt hat den Papierkram übernommen (= Briefe gelesen
), Termine ausgemacht und meine Mutter vor Gericht vertreten, dadurch war bereits wenige Monate später alles erledigt. Seitdem muss meine Mutter ingesamt 50 Euro pro Monat über 7 Jahre an beide Gläubiger bezahlen und darf keine neuen Kredite aufnehmen. Die Anwaltskosten betrugen 2.300 EUR, die sie mir netterweise in monatlichen 50 EUR Raten abbezahlt, obwohl ich sie gar nicht darum gebeten hatte. Ich hätte diesen Betrag übernommen, da mir der Anwalt Zeit, Nerven und Urlaubstage gespart hatte, aber ich habe mich natürlich nicht beschwert und fand das sehr nett von ihr.
Hat sich seitdem etwas geändert? Jein mit starker Tendenz zu "nein."
Sie hat das Mietshaus in Manila an einen Neffen abgegeben und ein anderes Haus (von ihr und ihrer verstorbenen Schwester) für 150k Peso verkauft. Ihr eigenes Haus in der Provinz behält sie, weil Erinnerungen und so. Ich glaube, sie will einfach ein "Prestiegeobjekt" in ihrem Heimatdorf haben, damit sie weiterhin als die reiche Tante aus Europe gilt. Das Haus will sie iiiiirgendwann an Arbeiter vermieten und so Geld reinbekommen. Den Plan halte ich für sehr blauäugig, da alleine die Reparaturarbeiten sehr teuer werden, aber das ist ihre Sache.
Ich konnte sie dazu überzeugen, monatlich via Dauerauftrag je 50 EUR auf zwei Sparkonten zu überweisen. 1x für Urlaub und 1x für Notfälle. Dort sind jetzt jeweils ca. 600 Euro, so viel hatte sie noch nie in ihrem Leben angespart, somit bin ich stolz auf sie
Ansonsten lebt sie aber von Paycheck to Paycheck, d.h. Ende des Monats sind maximal 30 Euro auf ihrem Konto, den Rest gibt sie aus bzw. überweist sie noch immer 100-300 Euro in die Heimat. Dort wiederum ist die Stimmung ein wenig gekippt. Sie telefoniert jeden Tag stundenlang mit ihrer Nichte (Hausfrau) und sagt ihr, was sie zu tun hat bzw. gibt ihr Erziehungstipps und vor allem Businesstipps. Letzteres waren ein Tortenbackkurs für die Nichte und ein ShaoPao Franchise für einen Neffen. Beides hat auch noch einem Jahr keinerlei Gewinn eingebracht. Ein anderer Neffe und ein Schwager sind bei ihr in Ungnade gefallen, da sie nicht die Zeit hatten, täglich mit ihr zu telefonieren bzw. innerhalb weniger Minuten auf ihre Nachrichten zu antworten. Ein weiterer Neffe hat sie gebeten, vorsichtig zu sein, nicht allen Menschen zu vertrauen und der Nichte nicht so viel Geld zu schicken. Daraufhin hat sie sich 2 Stunden lang am Telefon so sehr in Rage geschrien, dass sie ein paar Minuten lang halbseitig gelähmt war und ins Krankenhaus musste. War nur stressbedingt und sie konnte am gleichen Tag wieder nach Hause. Als ich ihr erzählte, dass ihr ihren Verwandten bescheid gegeben hatte, dass es ihr gut ging und sie noch am selben Tag heimkonnte, war sie beleidigt. Sie wollte den Verwandten erzählen, dass sie ein paar Tage im Krankenhaus sei, "damit sie Angst haben"
Im Grunde sind jetzt bis auf diese eine Nichte alle anderen “böse”, "arrogant" und “falsche Menschen”. Auf meinen Vergleich, dass ich auch total genervt wäre, wenn mich meine Tante jeden Tag anruft und sich in mein Leben einmischt, kam nur ein “Nein, in den Philippinen ist das anders!”. Ich glaube das nicht. Vielleicht war es in ihrer Kindheit so, da ihre Familie wirklich arm war und in der Provinz lebte 
Auch hat sie noch immer Schmuck bei einem Pfandleiher, von dem sie 600 EUR dafür bekommen hat. Angeblich liegt das seit 2 Jahren dort und sie zahlt alle 4 Monate 90 EUR Zinsen. Dass sie schon knapp 600 EUR nur an Zinsen bezahlt hat und weitere 600 Euro zahlen müsste, um den Schmuck rauszubekommen, versteht sie nicht. Komplett weggeben will sie ihn nicht, sondern iiiiirgendwann holen und bis dahin die Zinsen zahlen
Auch bei ihren Telefonaten höre ich immer wieder Wortfetzen, in denen sie Leuten dazu rät, Ringe/Armbänder dem Pfandleiher zu geben. Habe auch die Vermutung, dass sie diesen Schmuck selbst gekauft und Verwandten für schlechte Zeiten geschenkt hat. Wenn ich sie besuche, sehe ich auch Aufstellungen, in denen die Kosten für Schule, Babynahrung, Maid, Strom, Internet etc aufgelistet sind, vermutlich für die Nichte. Auf Nachfrage heißt es nur, sie habe schon laaaange nichts in die Heimat geschickt. Warum sie so wenig Geld hat, kann sie aber auch nicht beantworten.
Ich mische mich nun nicht mehr ein. Übrigens hatte ich ihr Bankkonto ohne Einkaufsreserve/Dispo eröffnet. Die Bank hat letzten Monat selbstständig (!) ihren Dispo auf 3.000 EUR gesetzt. Die sind doch wahnsinnig
Habs gleich wieder auf 0 setzen lassen, bevor meine Mutter wieder in alte Muster zurückfällt.
Okay - das klang nun alles sehr verbittert und negativ. Ich möchte nochmal betonen, dass ich mich mit meiner Mutter gut verstehe. Wir reden und scherzen sehr oft und ich weiß, dass sie es mit meinem Vater nicht leicht hatte. Er weiß übrigens bis heute nichts von der Privatinsolvenz. Als ich ihn darauf ansprechen wollte, wetterte er direkt los, wie "dumm die Arschiaten" wären und dass er sie nur wegen mir geheiratet hat und sonst längst verlassen hätte. Dementsprechend verstehe ich also, dass sie alles andere als eine Beziehung wie im Märchenbuch führten 
Mein persönliches Dilemma ist der kulturelle Unterschied. Ich bin komplett westlich erzogen worden und spreche bis auf ein paar Wortfetzen kein Tagalog. Es gibt seitens meiner Mutter immer wieder Hinweise darauf, was sie sich von mir wünscht. Sie erzählt, dass sie gerne ein Bambushaus mit Obstbäumen in den Philippinen haben möchte (kann aber krankheitsbedingt nie länger als 5 Wochen Urlaub machen). Dass sie gerne weitere Länder sehen will und so weiter. Wenn ich ihr nebenbei erzähle, dass ich mit meinem Mann nach der Pandemie wiedermal in Dubai Urlaub machen will, ruft sie “Ich komme mit!” und wenn ich ihr erkläre, dass wir nichtmal meine Schwiegermutter mitnehmen, heißt es “Bei Mädchen ist das anders!”. Frage ich sie, ob sie denn genug Geld für Flug und Hotel hat, ist sie beleidigt, weil sie scheinbar davon ausgeht, dass ich ihr das bezahle 
Es gab auch einen Moment, den sie vielleicht scherzhaft gemeint hat, den ich aber als dreist empfand. Sie sprach darüber, dass ich ja so einen guten Job hätte und “reich” wäre (damals durchschnittliches Einkommen). Ich lachte nur darüber und meinte, dass ich ja auch viel spare und plötzlich hielt sie mir die Hand hin und sagte “Dann gib mir etwas (Geld)!”. Das war mir unangenehm und ich wechselte schnell das Thema. Hin und wieder nehme ich meiner Mutter Essen aus dem Supermarkt mit, weil Corona und Hochrisikogruppe. Es waren nur 20 Euro oder so, also sagte ich “passt schon”. Daraufhin machte sie ein Foto von ihrem Einkauf, postet es auf Facebook mit einem Kommentar a la “Meine Tochter hat all dieses Essen für mich gekauft! Alles, ganz egal was ich wollte!” und darauf meinten ihre Verwandten irgendwas in Richtung “Wow! Hoffentlich wird mein Kind auch so, wenn es erwachsen ist!”. Mein Mann hat mir zum Valentinstag Rosen geschenkt, sie machte ein Foto und postete auf Facebook, dass sie den Strauß von meinem Vater bekommen hat. Keine Ahnung, was diese Angeberei bezwecken soll.
Es ist nun auch so, dass ich finanziell sehr viel Glück mit Investitionen hatte und mein Vermögen die Millionenmarke überschritten hat. Mein Mann und ich sind Anfang 30 und müssen nie wieder arbeiten, wir können also bescheiden von den Zinsen leben. Die Schwiegereltern haben sich sehr für uns gefreut. Es graut mir aber jetzt schon, meiner Mutter davon zu erzählen, weil da 10000% irgendetwas erwartet wird, was ich mir gar nicht vorstellen kann. Im Grunde verstehe ich mich gut mit ihr, aber ihre finanzielle Intelligenz ist einfach nicht sonderlich ausgeprägt und ich weiß nicht, wie ich ihr erklären soll, dass sie darauf keinen Anspruch hat bzw. "Million" nach viel klingt, man aber nicht einfach alles ausgeben kann, um ein paar wenige Jahre in Saus und Braus zu leben. Wenn sie die Geschichte auch noch auf Facebook erzählt (und das wird bestimmt passieren), weiß ich auch gar nicht, ob ich jemals wieder in den Philippinen Urlaub machen soll, weil ich bei Verwandten keine Hoffnungen wecken will. Bin mir auch nicht sicher, ob ich ihr einmalig einen kleinen Betrag schenken soll oder sie dann direkt wieder mehr will. Schmuck kann ich vergessen, der landet sowieso wieder beim Pfandleiher. Naja, mal schauen.
Ich hoffe wirklich, dass meine Mutter ein Sonderfall ist und die meisten philippinischen Frauen ihre Finanzen im Griff haben. Eigenes Geld hinschicken ist ja gut und schön, aber sich extrem Verschulden und das Leben anderer kontrollieren zu wollen + sich selber gut darstellen kann einfach nicht gesund sein.
Ja, das war's mit meinem Update! Danke für all eure hilfreichen Tipps! 