Tauchen mit Diabetes - kein Ding der Unmöglichkeit Autor: Dr. med. Krichbaum

  • Autor: Dr. med. Krichbaum



    Tauchreisen ins Mittelmeer: Davon gibt es viele. Setzt sich die Gruppe der Sportler aber aus Gesunden und Menschen mit Diabetes zusammen, ist das schon nicht mehr so alltäglich. Bislang existiert in vielen Ländern zwar noch ein wenig differenziertes Tauchverbot für Diabetiker, das jedoch langsam, aber sicher an Gültigkeit verliert.


    Im Juni 1999 machten sich acht Teilnehmer auf, um gemeinsam einen Tauchurlaub zu verbringen, in dessen Rahmen ein Tauchkurs (PADI, open water diver) durchgeführt wurde. Die Teilnehmer waren zur Hälfte Diabetiker. Vor Antritt der Fahrt wurde von jedem Teilnehmer, der am Tauchkurs teilnahm, ein aktueller Gesundheitscheck verlangt, der nach den Richtlinien der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM) durchgeführt wurde. Zusätzlich wurden bestimmte Teilnahmebedingungen für die Diabetiker erarbeitet:
    - Insulinpflichtige Diabetiker
    - Alter von 18 bis 60 Jahre
    - Die Teilnehmer müssen so geschult sein, daß sie in der Lage sind, Insulintherapie und Kohlenhydratmenge eigenverantwortlich allen Situationen anzupassen
    - Mindestens ein Jahr intensivierte Insulintherapie/Insulinpumpentherapie
    - Mindestens vier protokollierte Blutzuckermessungen pro TAG
    - Derzeitiger HbA1c von max. 1 Prozentpunkt über Normbereich
    - Die Teilnehmer müssen in der Lage sein, Symptome einer Unterzuckerung rechtzeitig zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren
    - Bei der Tauchtauglichkeitsuntersuchung entsprechend den internationalen Richtlinien dürfen keinerlei tauchmedizinische Einwände vorliegen
    - Ausreichende körperliche Fitneß.
    Verantwortlich für die Durchführung des Tauchkurses war eine vor Ort ansässige Tauchbasis, die Erfahrung in der Tauchausbildung nach den Richtlinien der IAHD (International Association of Handicapped Divers) durchführte. Täglich wurden ein bis zwei Tauchgänge absolviert.



    Hypoglykämien vermeiden


    Neben den theoretischen Unterrichtsstunden wurden die praktischen Lehreinheiten im Freiwasser in Tiefen von 5 bis 24 Metern durchgeführt. Kontrolliert wurden Blutzuckerwerte sowohl der Teilnehmer mit als auch der Teilnehmer ohne Diabetes, die vor und nach dem Tauchen bestimmt wurden.
    Zeitpunkte der mit Kapillarblut und mit Hilfe eines Blutzuckermeßgerätes (Medisense precision QID) durchgeführten Messungen waren 90, 60, 30 und 0 (unmittelbar vor dem Tauchgang) Minuten vor sowie nach dem Tauchgang.
    Es wurde darauf geachtet, daß der vor dem Tauchgang bestimmte Blutzucker zwischen 180 und 220 mg/dl lag, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer symptomatischen Hypoglykämie während des Tauchgangs so gering wie möglich zu halten. Zwar handelte es sich bei den Tauchgängen der Kursteilnehmer überwiegend um Ausbildungstauchgänge, die sicher mit einer geringeren physischen Belastung einhergingen als bei sonst üblichen Tauchgängen, wobei aber die psychische Belastung der Tauchanfänger in einem fremden Medium mit Tauchausrüstung ein Ausgleich war.
    Lag ein Blutzuckerwert unter dem o. g. Wert, dann wurde dieser zunächst durch die Einnahme zusätzlicher Kohlenhydrate angehoben. Als zusätzliche Sicherheit wurde jeder Taucher in die Handhabung eines im Falle einer auftretenden Hypoglykämie (Unterzuckerung) unter Wasser einzunehmenden Glukose-Gels eingewiesen.
    Des weiteren bestand die Möglichkeit der Ketonkörper- und Laktatkontrolle, deren Ergebnisse jedoch nicht systematisch dokumentiert wurden.



    Blutzuckerwerte vor und nach dem Tauchen verglichen


    Im Rahmen der Auswertung war natürlich der Vergleich der Blutzuckerwerte vor und nach einem Tauchgang innerhalb der Gruppe von Patienten mit Diabetes von besonderem Interesse, aber auch der Vergleich der Blutzuckerwerte der beiden Gruppen gegeneinander. Die gemessenen Werte wurden in ein speziell konzipiertes Logbuch eingetragen, wo zusätzlich noch Angaben wie Ort, Datum, Tiefe, Länge und Besonderheiten des Tauchganges vermerkt werden sollten.
    Zusätzlich konnte als weiterer Parameter noch der individuelle Luftverbrauch von Tauchanfängern und bereits erfahrenen Tauchern ermittelt werden, da dies ohne viel Aufwand an den zu jeder Tauchausrüstung gehörenden Finimetern abgelesen werden konnte.
    In der Zusammenschau zeigte sich, daß, wie zu erwarten war, der Blutzuckerspiegel der nicht-diabetischen Patienten sich innerhalb normaler Schwankungen bewegte. Hier wurden Blutzuckerwerte zwischen 56 mg/dl und 115 mg/dl gemessen.
    Was die Blutzuckerschwankungen in der Gruppe der diabetischen Taucher anging, so kann festgehalten werden, daß es während der Tauchgänge zu keiner symptomatischen Hypoglykämie gekommen ist. Die mittleren Blutzuckerwerte sowohl aller als auch der einzelnen Diabetiker sind in den aufgeführten Grafiken aufgezeichnet.
    Bemerkenswert ist, daß im Rahmen der Erhebung keine grundlegende Insulindosismodifikation erfolgte. Blutzuckerspitzen wurden vor dem Tauchgang bis zu einem Wert von 250 mg/dl toleriert, und höhere Werte (sowohl vor als auch nach dem Tauchgang) wurden durch entsprechende Gaben eines kurzwirksamen Insulins in der für den Diabetiker gewohnten Weise korrigiert.
    Eine Teilnehmerin, die mit einem Insulinanalogon (Lispro) und Insulinpumpe behandelt war, injizierte sich vor dem Tauchgang eine kleine Menge Normalinsulin, um die kurze Wirkdauer des Insulinanalogons zu kompensieren.


    auchverbot in Frage stellen


    Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die jetzt durchgeführte Beobachtung Tauchen mit Diabetes einen weiteren Baustein darstellt, ein wohl weltweit existentes Tauchverbot für Diabetiker bezüglich seiner Berechtigung sehr in Frage zu stellen.
    Werden bestimmte Kriterien beachtet, ist eine (schlimmstenfalls unter Wasser) auftretende Hypoglykämie sehr unwahrscheinlich.
    Zu diesen Kriterien gehört unter anderem die sowohl vor als auch nach dem Tauchgang zwingend erforderliche Stoffwechselkontrolle. Die vor dem Tauchgang gemessenen Werte für Blutglukose sollten zwischen 180 und 220 mg/dl liegen. Davon insbesondere nach unten abweichende Werte müssen entsprechend durch zusätzliche Broteinheiten kompensiert werden. Bei den kontrollierenden Tauchanfängern war keine Änderung der Insulindosis notwendig. Sollten jedoch fortgeschrittene Taucher mit Diabetes mellitus einen Tauchurlaub mit anspruchsvolleren Tauchgängen durchführen, als das im Rahmen des jetzigen Tauchkurses der Fall war, ist der Punkt der Dosisreduktion aufgrund der vermehrten körperlichen Aktivität zu berücksichtigen. Hier gilt als Faustregel sowohl eine Reduktion des Verzögerungsinsulins als auch eine Reduktion des Bolusinsulins um 30 bis 50 Prozent.


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