Warum hat sich Spanisch auf den Philippinen nie als Landessprache durchgesetzt?

  • Filipino ist so ähnlich wie die Hiligaynon (zu der Ilonggo die im täglichen Leben auch nicht verwendet werden kann, weil es eben für Konversation nicht geignet ist) der formaler Rede-und-Schrifart der Tagalog.


    Ganz so ist es wohl nicht, wenn ich mir das hier durchlese: http://de.wikipedia.org/wiki/Filipino


    Ich zitiere:


    Zitat

    Als Sprache dazu entwickelt, die lingua franca der Inseln zu sein, sollte sie Wörter der verschiedenen philippinischen Regionalsprachen übernehmen, während sie die Grammatik des Tagalog zur Grundlage hat.


    Damit ist es sicherlich kene formale Form des Tagalogs, sondern eine neue Nationalsprache, die auf Tagalog und anderen philippinischen Sprachen basieren sollte, aber eben die Grammatik des Tagalog verwendet. Das sie als Schriftsprache natuerlich vom umgangssprachlichen abweicht ist normal und auch im deutschen oder anderen Sprachen so. Sie aber als Formalsprache des Tagalogs zu bezeichnen ist alleine deswegen falsch, weil ja auch Woerter aus anderen philippinischen Sprachen integriert wurden.


    Zitat

    Jawohl nichts als nur Meinungen die wie Laune sich schnell ändern können...


    Wissenschaftliche Meinungen aendern sich immer dann, wenn neue Erkenntnisse gewonnen wurden und nicht aus einer Laune heraus.


    Mein Schwager spricht noch Spanisch mit seiner Brüdern und ab und zu mal mit seiner Frau (meine Schwester) und ihre Kinder.... und so alt sind sie auch noch nicht.


    Schoen dass sie das tun, aber es passiert eben nur manchmal, diejenigen, die im allgemeinen noch Spanisch regelmaessig zu Hause sprechen, sind selten und im allgemeinen aelter.


    Man stellt sich logsicherweise die Frage wießo die Filipinos sich wehren können und sie nicht. :floet


    http://de.wikipedia.org/wiki/Quechua


    Zitat

    Quechua ist eine Gruppe eng miteinander verwandter indigener Sprachvarietäten, die im Andenraum Südamerikas gesprochen werden.


    Quechua wird auch heute noch gesprochen, also haben die Inkas und andere suedamerikanische Voelker ihre eigene Sprachen auch nicht aufgegeben.


    Nun aber Schluss mit diesen Abweichungen vom Spanischen, denn wir schweifen schon zu weit ab!


  • Tagalog ist doch im Grunde eine verballhornte Version des Spanischen. ;)


    Ich finde das Thema "Verballhornung" sehr interessant und vor allem, woher diese rührt.


    Kurz zu meiner Person: ich spreche fließend Spanisch, da ich familiäre Verbindungen nach Südamerika habe. Mein Interesse am Spanischen war für mich auch der Grund, weshalb ich mir 2004 völlig naiv dachte, reise doch mal nach Manila um zu gucken, was dort vom spanischen Kulturerbe übrig geblieben ist. Und so lernte ich meine Frau kennen...


    Doch zurück zum Thema: ich sehe zwei Arten von "Verballhornung":


    1) Orthographie: viele spanische Wörter im Tagalog werden anders geschrieben als im Spanischen. z.B. kutsilyo statt cuchillo (Messer), wobei das vermutlich daher rührt, dass diese Wörter nur mündlich weitergegeben worden und man sie im Tagalog, mit den (wenigen) zur Verfügung stehenden Buchstaben so niedergeschrieben hat, wie man sie verstand (im Tagalog fehlen ja einige Buchstaben, die es in anderen Sprachen gibt) (wobei Tagalog ursprünglich ja nicht unsere Buchstaben verwendete, es gibt ja eine eigene Schrift (Alibata), die leider verloren ging).


    Interessanter finde ich, dass


    2) einige spanische Wörter im Tagalog eine völlig andere, teils auch entgegengesetzte Bedeutung als im Spanischen haben:


    - "engañar" heißt auf Spanisch "betrügen" (im Sinne von z.B. die Ehefrau betrügen), im Tagalog heißt es "motivieren" (meiner Meinung nach lässt dieses tief blicken...)


    - "puerta" heisst auf Spanisch "Tür" oder "Tor", auf Tagalog ist es ein sehr derber Begriff für das weibliche Geschlechtsorgan (lässt auch tief blicken, über das Verhalten der dortigen Männer, oder über-interpretiere ich hier?)


    - "querida" ist im Spanischen ein Adjektiv und heißt "liebe", also z.B. als Anrede in Briefen ("Liebe Oma..."), im Tagalog ist "kerida" die Geliebte.


    - "seguro" heißt auf Spanisch "sicher", "bestimmt", auf Tagalog heißt es "vielleicht" (auch hier könnte man rein-interpretieren, daß man auf den Philippinen mit festen Zusagen eher zurückhaltend ist...)


    Ich bin daher der Meinung, dass viele solche Fälle, bei denen Wörter eine andere Bedeutung erlangten, auf das Verhalten der Bevölkerung zurückzuführen sein könnte...


    Es gibt noch viele weitere solcher Beispiele. Hat jemand weitere parat?

  • Die indigene Bevölkerung, die einmal andere Sprachen gesprochen hat, wurde vernichtet und durch Einwanderer aus Spanien oder Portugal ersetzt (es gibt lokale Außnahmen - bezogen auf den Kontinent als Ganzes spielen die aber keine entscheidene Rolle). Gebietsweise kamen zwar noch Sklaven aus Afrika dazu. Da die aber aus den unterschiedlichen Ecken des Kontinents zusammengekarrt wurden und weder über eine einheitliche Sprache noch über eine einheitliche Kultur verfügten, übernahmen sie notgedrungen die Sprachen ihrer neuen Herren.


    Vorsicht wie man heute weiss ist die allergrösste Zahl durch Krankheiten gestorben. Es gibt Berichte von fast menschenleeren Gebieten VOR Ankunft der Europäer. Noch heute wird bei nicht kontaktierten Völkern im Amazonas sehr darauf geachtet, bei Erstkontakt nichts ein zu schleppen und später die medizinische Hilfe parat zu haben. Siehe WP: Unkontaktierte Völker - klick mich

    Zitat

    Aufgrund ihrer Isolation besitzen Angehörige solcher Gruppen teils keine wirksame Immunabwehr gegen Krankheiten, die für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft zumeist harmlos sind.


    Noch deutlicher: http://de.wikipedia.org/wiki/I…C3%BCdamerikas#Geschichte

    Zitat

    Unkontaktierte Völker gehören zu den gefährdetsten Menschen weltweit, da sie keinerlei Resistenz gegen Krankheiten wie Grippe, Masern usw. aufweisen, daher ist es streng untersagt, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, zumal sie selbst sich unter Anwendung von Waffengewalt dagegen wehren. Vermutlich liegt dieser Abwehr die Erfahrung zugrunde, dass mehr als die Hälfte der Völker, die in der Vergangenheit Kontakt aufgenommen haben, durch die genannten Krankheiten getötet wurde.


    Siehe: Indianer Nordamerikas# Bevölkerungszusammenbruch nach dem Kontakt mit Weissen

    Zitat

    Der Zusammenbruch der indianischen Bevölkerung nach dem Kontakt mit Weißen wird in der Literatur einhellig als entsetzlich beschrieben, Folgen waren der Verlust an kulturellen Traditionen und Lebensweisen, neue politische Verbindungen, großflächige und umgreifende Bevölkerungsverschiebungen, sowie schließlich der Verlust des Landes.[7] Der entscheidende Faktor waren neue Infektionskrankheiten, gegen die die indianischen Völker keine Resistenzen aufwiesen. Die hohen Bevölkerungsschätzungen sind nur erklärbar, wenn Krankheiten den vorrückenden Weißen schon im 16. Jahrhundert weit vorauseilten und den Kontinent entvölkerten, bevor europäischstämmige Chronisten den ersten Kontakt mit den jeweiligen Bevölkerungsgruppen hatten und die Verluste registrierten.


    Von den Philippinen habe ich sowas nicht gehört. Das würde heissen das Imunsystem hat Spanisch verhindert :)
    Ausser bei meinem Engel, sie spricht Chabacano und die Mutter heisst Corazon Santos :D
    Gepflegt wird das aber nicht. Spanisch als Fremdsprache würde sich hier sehr anbieten...!


    Diese Erklärung geht sogar noch weiter:
    Die Kolonialisten haben in Südamerika zu wenig "Sklaven" vor gefunden und mussten diese dann importieren. Was ja wie schon erwähnt zu einem Sprachwirrwar führte infolge dessen sich Spanisch als Sprache um sich zu verstehen durchsetzen konnte.

    In Deutschland wird die Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. Grundgesetz gewährleistet.
    „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […] Eine Zensur findet nicht statt.“

    2 Mal editiert, zuletzt von Sunnyenergy ()

  • Diese Erklärung geht sogar noch weiter:
    Die Kolonialisten haben in Südamerika zu wenig "Sklaven" vor gefunden und mussten diese dann importieren. Was ja wie schon erwähnt zu einem Sprachwirrwar führte infolge dessen sich Spanisch als Sprache um sich zu verstehen durchsetzen konnte.


    Bedingt da auch auf den Philippinen ein redlicher Sprachwirrwarr bestand und noch besteht.


    7107 Insels, davon knapp die Haelfte bewohnt, ueber 100 Sprachen und Dialekte (http://en.wikipedia.org/wiki/Languages_of_the_Philippines), zig Sultanaten, mangelnde Infrastruktor, fehlende Handelswege usw. waeren eigentlich ein Naehrboden zur Einfuehrung einer gemeinsamen Kommunikationsprache gewesen. Dass diverse Clans und Voelkergruppen schon zu dieser Zeit sich nicht einig waren, konnte den Spaniern nur recht sein. Ein kollektiver Aufstand der Eingeborenen durch fehlende Kommunikationsmoeglichkeiten war somit fast ausgeschlossen. Meiner Meinung nach begnuegten sich die Spanier mit regional begrentzten Sprachvermittlungen ausschliesslich fuer Verwaltungszwecke.
    Es waren auch nie viele Mestizos anwesend und die Garnison im Fort Santiago grad mal ein paar hundert Mann stark.

    "Eine Expertise ist eine objektive Niederschrift einer subjektiven Meinung"

    "Fakten sind keine Wahrheiten" - Werner Herzog

  • Interessant :)
    Aber nicht das Gleiche. In Amerika war eine bunte DurchMischung der Sprachen zu finden. Die mussten sich verständlich machen. Das ging mit Spanisch.
    In den Phills blieben die Gruppen meines Wissens in den jeweils angestammten Gebieten. Da hat man untereinander gesprochen wie immer und vermutlich nur die Oberhäupter mit den Spaniern. Die Situation ist also eine ganz andere gewesen.

    In Deutschland wird die Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. Grundgesetz gewährleistet.
    „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […] Eine Zensur findet nicht statt.“

  • Vorsicht wie man heute weiss ist die allergrösste Zahl durch Krankheiten gestorben.

    Korrekt, ich habe mit der Wahl des Wortes "vernichten" eine unsaubere Formilierung vorgenommen, weil damit absichtliches Handeln ausgedrückt wird.


    Vernichtet, also gezielt zerstört, wurden zwar die einheimischen Kulturen, aber nicht die Menschen. Die meisten starben in der Tat durch Infektionskrankheiten wie den Pocken oder durch miserable Lebenumstände in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung. Massenhafte Tötungen bei Auseinandersetzungen kamen zwar auch vor, waren aber kein explizites Ziel der Spanier. Man wollte einfach nur das Land in Besitz nehmen und von Sklaven bewirtschaften lassen.


    In Konsequenz waren aber die Ureinwohner Mittel- und Südamerikas mehrheitlich bereits wenige Jahrzehnte nach der jeweilgen Ankunft der Spanier tot, und damit das Spanische als Sprache durchgesetzt.

  • Vorsicht. Wenn du die WP-Links die ich als Beleg brachte liest, geht daraus etwas Anderes hervor.
    Man geht heute immer mehr davon aus, in Amazonien und Nordamerika der Grossteil der Menschen und Völker an den durch die Europäer eingeschleppten und durch Einheimische weiter verbreitete Infektionskrankheiten gestorben sind. BEVOR sie auch nur einen Weissen zu Gesicht bekamen. Es gibt Berichte von menschenleeren Landschaften bei Ankunft der Siedler, die der Verbreitung der Krankheiten dann nochmals Vorschub leisteten.


    Danach waren Sklaven aus Afrika nötig, infolgedessen entstand ein Sprachwirrwar in dem sich Spanisch durchsetzte. Darin sind wir uns ja einig.
    Ich könnte mir vorstellen, dass Spanisch sich ähnlich wie in den PH nicht so durchgesetzt hätte, wären die armen Leute nicht durch die Krankheiten ausgerottet worden...

    In Deutschland wird die Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. Grundgesetz gewährleistet.
    „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […] Eine Zensur findet nicht statt.“

  • War es denn wirklich so, dass Spanisch auf den Philippinen nie eine bedeutende Sprecherzahl hatte?


    Ich ging bisher davon aus, dass Spanisch von den Amerikanern verdrängt wurde und Corazon Aquino mit der Entscheidung, Ende der Achtziger Jahre (?) Spanisch als Pflichtfach an den Schulen abzuschaffen, den endgültigen "Todesstoß" gegeben hat.


    Spanischsprecher auf den Philippinen soll es aber wohl geben, ich persönlich kenne eine Filipina (aus reicherem Hause), die es von den Eltern als Muttersprache gelernt hat (sie ist heute in den 40ern/50ern). Ist das ein Einzelfall? Meine Frau behauptet immer, die Oberschicht (z.B. die Ayalas) würden auch heute noch Spanisch zu Hause sprechen?


    Laut Wikipedia gibt es ja doch eine gewisse Anzahl an Sprechern...


  • Das ist tatsächlich sehr interessant. Meiner Meinung nach sind solche "Wortverkehrungen" dann aber eher auf die verqueren Moralvorstellungen der spanischen Mönche zurückzuführen, in denen es (weibliche) Geschlechtsorgane ebensowenig geben durfte wie ehelichen Betrug oder aussereheliche Geliebte. Auch das "seguro" als "Vielleicht" könnte darauf hindeuten, dass die Mönche es nicht so genau nahmen mit Absprachen den Einheimischen gegenüber.


    Ist aber nur eine Vermutung, die ich nicht belegen kann.

  • Hallöchen in die freundliche Runde!


    :hi


    Bitte nicht vergessen, dass Worte gelegentlich "verstümmelt" als Wortfetzen sozusagen übernommen werden. "engañar" beispielsweise beinhaltet auch "gañar", was verdienen heisst. "gañar en alguna cosa" hiesse soviel wie "an etwas zu verdienen" und käme einem "motivieren" schon mal semantisch nahe.


    :floet


    Bei "puerta" ist schon alles geschrieben worden. Eben die Art, wie sich -nicht nur- Mönche so ausdrückten.


    :rolleyes:


    "mi querida" heisst so viel wie "meine Geliebte", "meine Begehrte". Gleich der semantischen Bedeutung in Tagalog also.


    :thumb


    Bei "seguro" ist auf die Aussprache zu achten, denn fragend hiesse es "sicher?" und wäre dann semantisch gleichbedeutend mit "vielleicht", weil der Zweifel drinstecken würde.


    =)


    Ich stimme auf jeden Fall zu, dass es zwischen der Sprache, dem Denken und der Gesellschaft immer einen sehr engen Zusammenhang gibt (siehe "seguro").


    :cheers


    Reismehl

    :thumb "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." (Bertolt Brecht) :thumb

  • War es denn wirklich so, dass Spanisch auf den Philippinen nie eine bedeutende Sprecherzahl hatte?

    Es hat sich ganz offensichtlich nie als Muttersprache der einheimischen Bevölkerung durchgesetzt. Dafür reicht es nicht, "Fremdsprache Nr. 1" zu sein.


    Der Vergleich mit Lateinamerika ist hier wirklich interessant. In den Regionen, in denen die indigene Bevölkerung dort auch heute noch die Mehrheit stellt, haben sich auch deren Sprachen erhalten.

  • Bis in die 1920er Jahre wurde noch auf den Philippinen bei der gebildeten Schicht sehr viel Spanisch gesprochen, gerade bei denen die die Amerikaner ablehnten. Die Amerikaner schafften jedoch Abhilfe, indem sie Topleute aus den Philippinen Stipendien in den USA gab.


    Bis in die 1950er Jahre war Spanisch noch durchaus gebräuchlich, doch die Englischsprachigen gewannen auf Dauer und Spanisch wurde zum Relikt das als Unterrichtssprache abgeschafft wurde.


    Was Filipino angeht, es war ursprünglich eine auf Tagalog basierende Kunstsprache. Die tatsächliche "Nationalsprache" auf den Philippinen ist der Tagalog-Slang von Manila der durch das Fernsehen verbreitet wird. Sie nimmt natürlich immer wieder neue Wörter auf.